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Interview mit Rolf Sigmund im Europolitan 3/19

Beim Alumni-Wochenende 2019 spricht Rolf Sigmund (IPBS 1984) über seine Erfahrungen aus 35 Jahren erfolgreicher Managementkarriere. Unsere Europolitan-Redaktion hat schon im Vorfeld ein spannendes Interview mit ihm geführt. Erfahrt mehr über unseren Keynote-Speaker.

 

At our Alumni Weekend 2019, Rolf Sigmund (IPBS 1984) will share his experiences from his successful international management career. Our Europolitan team sat down with him for an interesting interview in advance. Learn more about our keynote speaker. 

(German)

 

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Das Interview führte Lukas Zähringer (IB 2017). Die ungekürzte Fassung steht unseren Mitgliedern in der Printausgabe des Europolitan oder im Digitalarchiv (Login notwendig) zur Verfügung. Ihr wollt Rolf Sigmund als Keynote Speaker auf dem ESB Alumni-Wochenende am 16. November 2019 erleben? Tickets gibt es bei Eventbrite.

Rolf Sigmund (IPBS 1984) gehört zur ersten ESB-Generation. Er begann sein Studium, als die ESB Business School gerade gegründet wurde. Nach 35 Jahren internationaler Karriere bei L’Oréal hat er sich entschieden, ab dem 1. März 2019 in den vorgezogenen Ruhestand zu gehen

Europolitan: Lieber Rolf, in den letzten 35 Jahren hast du viel erlebt. Kannst du uns einen Überblick über die drei Jahrzehnte nach deinem Abschluss 1984 an der ESB geben?

Rolf Sigmund: Hallo Lukas, sehr gerne! Angefangen habe ich in Frankreich – nach meinem  Doppelabschluss in Reims habe ich mich entschieden, im Ausland zu bleiben und bei L’Oréal Luxe, das ist die Luxusdivision von L’Oréal, einzusteigen. Ganz klassisch: Außendienst, Produktmanagement, Marketing und Vertrieb. Nach drei Jahren in der Zentrale kam ich dann nach Deutschland und konnte nach sechs weiteren Jahren, 1993, als Geschäftsführer eine kleine Marke übernehmen. Internationale Stationen folgten mit einer Koordinationsfunktion auf Europaebene und im Markt in Belgien und Spanien. Für mich habe ich festgestellt, dass die Filiale mit ihren Mitarbeitern, Kunden, Märkten und Vermarktung meine Welt ist. Im Jahr 2002 ging es dann nach Asien, raus aus dem Luxusgeschäft in eine Gesamtverantwortung der Marken von L’Oréal.

Wie kam es zu dem Wechsel von Luxus zur Gesamtverantwortung und aus Europa nach Asien?

Um ehrlich zu sein: Damals hatte ich Asien selbst noch nicht auf dem Schirm – ich wurde sozusagen vom Management überrumpelt und nach Thailand geschickt. Ganz nach dem Motto: Um die Jahrtausendwende muss ein erfolgreicher Manager einmal in Asien gewesen sein, um langfristig erfolgreich zu sein. Daraufhin bin ich als Geschäftsführer von L’Oréal nach Thailand gegangen – im Nachhinein war das eine super Erfahrung, die für mich und meine Familie in vielerlei Hinsicht prägend war.

2005 ging es dann aber zurück nach Deutschland, richtig?

Genau, nach den verschiedenen Stationen kam der Wunsch auf, irgendwann wieder nach Europa, bzw. Deutschland zu gehen. Unsere Kinder brauchten eine Heimat und wir wollten uns langfristiger aufstellen. Nach der typischen L’Oréal-Karriere, alle drei bis vier  Jahre ein neuer Job, war ich nun für 14 Jahre in einer anderen Aufgabe als Geschäftsführer L’Oréal Luxe in Deutschland. Ich habe dabei geholfen, der Firma ein anderes Gesicht zu geben, Themen wie Employer Branding und langfristige Zielplanung wurden wichtig. Das hat sehr gut geklappt, mittlerweile stellt Deutschland nach Frankreich die größte Anzahl an Führungskräften im Konzern – das war nicht immer so. Außerdem war es spannend, ein Geschäft über die Jahre solide und nachhaltig aufzubauen.

Da fragt man sich doch: Wieso in den vorgezogenen Ruhestand gehen, wenn alles klappt

Genau deshalb! Man sollte dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Viel zu viele Manager warten ab und verpassen den Moment, bis der Punkt erreicht ist, an dem sich die Dinge zum Negativen wenden, ganz egal ob durch persönliches Verschulden, gesundheitliche oder äußere Einflüsse. Die letzten Jahre hätte man sich im Nachhinein dann sparen können.

Wie hat sich die Konsumgüterindustrie über die letzten dreieinhalb Jahrzehnte entwickelt?

Ich habe mich größtenteils mit Luxusmarken beschäftigt. Die größten Veränderungen sehe ich aufseiten der Kunden: Diese sind über die Jahre deutlich anspruchsvoller geworden. Damals entwickelten wir ein Produkt und schickten dieses in den Markt – heute ist Consumer Centricity das Schlagwort, bei dem sich alles um den Kunden dreht, speziell im Luxusbereich. Hohe Preise können nur durch Service, Convenience und eine spezielle Erfahrung gerechtfertigt werden. Eine klare Positionierung der Marke ist hierfür entscheidend. Außerdem ist der Markt schnelllebiger geworden und ungleich kompetitiver dank guter Margen und einer dementsprechend hohen Attraktivität der Kosmetikindustrie. Nicht zuletzt ist unser Geschäft auch bedeutend internationaler geworden: Man kann sich kaum vorstellen, dass es vor 13 Jahren noch keine L’Oréal-Filiale in China gab – heute ist China der zweitgrößte Markt!

Und was ist mit dem Buzzword Digitalisierung?

Seit ca. einem Jahrzehnt hat auch die Bedeutung von Digitalisierung und E-Commerce stetig zugenommen. Das ermöglicht in unserer Branche vor allem einen Shift vom Handel zur Industrie durch Direct to Consumer-Vertrieb und eine gezieltere Werbeansprache. Früher wurde Werbung nur gesendet, heute machen wir Position Advertising, also gezieltes Targeting, und befassen uns mit dem gesamten Customer Journey. Meiner Meinung nach brachten die letzten fünf oder sechs Jahre bedeutendere Veränderungen in unserer Branche mit sich als die 25 Jahre zuvor.

Gibt es auch Themen, mit welchen sich die junge Generation – bei L’Oréal, aber auch in der Konsumgüterindustrie – in der Zukunft beschäftigen muss?

Es ist immer unglaublich schwierig über die Zukunft zu sprechen. Allerdings denke ich, dass sich die Geschwindigkeit, mit der Veränderungen auf uns zukommen, beschleunigen wird. Die Personalisierung von Produkten und Services sowie die Customer Experience wird entscheidend sein, um Luxusmarken zu positionieren. Die größte Herausforderung für die junge Generation wird es, L’Oréal zu einer Beauty-Tech-Company weiterzuentwickeln. Wir stehen weiterhin für Beauty, Inspiration, Kreativität und Träume. Allerdings müssen wir auch die technischen Fortschritte nutzen in Bereichen wie Gesichtserkennung, Produkttests etc. Wenn man den Begriff Modiface googelt, kann man hier einen ersten Eindruck von dieser Entwicklung bekommen. Man muss es also schaffen, den Beauty-Traum und High-Tech zu verbinden.

Außerdem denke ich, dass wir uns alle mit der Art der Zusammenarbeit beschäftigen müssen. Ich bin überzeugt, dass wir das Team noch mehr in den Vordergrund stellen und projektbezogene Arbeit anbieten müssen, um den Ansprüchen der Generation Y oder Z gerecht zu werden.

Widmen wir uns noch deiner persönlichen Entwicklung. Wie haben sich die Anforderungen an eine Führungskraft im Laufe deiner Karriere verändert?

Viele Dinge sind in der Tat gleichgeblieben: Persönliche Werte sind weiterhin sehr wichtig. Diese sollte man für sich definieren und für sie einstehen. Mir waren zum Beispiel meine Kunden und Mitarbeiter immer sehr wichtig. Außerdem wollte ich mich jeden Tag im Spiegel anschauen können. Um langfristig erfolgreich zu sein, muss man überdies eine Balance zwischen Beruf und Privatem finden und hierbei Kompromisse auf beiden Seiten eingehen. Zuletzt denke ich, dass man sich sehr schnell klar werden muss, wer man ist, was man gut kann und was eben auch nicht. Das Schlimmste was passieren kann ist, Mitarbeiter in Positionen zu befördern, die nicht in der Lage sind, die Position auszufüllen. Deshalb sind Selbstreflexion und Selbsteinschätzung weiterhin sehr wichtig.

Die Anforderungen haben sich teilweise jedoch auch verändert: Früher hieß es ‘Führung kraft Amtes‘. Man war Geschäftsführer, und dementsprechend hatte das Wort Gewicht und Entscheidungen wurden nicht in Frage gestellt. Heute ist Führung ein zentrales Thema für die Zukunft. Die Arbeitswelt ist komplexer geworden, Top-Talente sind nicht einfach zu rekrutieren und noch schwieriger zu halten. Daher ist es heute viel wichtiger geworden, Führung durch Respekt, Wertschätzung und Interesse an den Mitarbeitern auszuüben. Transparenz mit einer guten Feedback-Kultur ist absolut unerlässlich. Da stellt sich auch die Frage, wie man mit älteren Mitarbeitern umgeht, welche sich teils mit aktuellen Herausforderungen schwertun. Soweit darf es eigentlich gar nicht kommen: Als Coach muss ich mich über die Zeit damit beschäftigen, wie ich Mitarbeiter weiterentwickeln kann. Ich begleite mehr als dass ich kontrolliere. Zuletzt ist auch die Vorbildrolle von Führungskräften wichtiger geworden. Man steht im Fokus und wird beobachtet.

Hast du aus der Zeit an der ESB etwas mitgenommen, was dir bei deiner Karriere besonders weitergeholfen hat?

Ganz bestimmt! Die ESB gibt uns allen eine ausreichende theoretische Bildung mit auf den Weg. Viel wichtiger ist es jedoch, sich immer weiterzubilden und nicht nur sehr viel Wissen mitzubringen. Die Fähigkeit, sich flexibel neuen Situationen anzupassen und positiv zu denken anstatt zu glauben, man hätte einen riesigen Rucksack mit Kompetenzen dabei, ist unglaublich wichtig. Die ESB hat diesen Balanceakt recht früh geschafft. Außerdem haben mich die Neugierde und Offenheit, das Interesse an anderen Kulturen und Teamarbeit sowie das Unternehmertum und der Mut, den man erlernt, wenn man lange Zeit in einem fremden Land verbringt, sehr weitergebracht.

Kannst du nach deiner steilen Karriere, zuletzt als Geschäftsführer von L’Oréal Luxe, noch Tipps an aktuelle Studierende sowie Berufseinsteiger mit auf den Weg geben?

Ja, gerne:
  1. Findet heraus, was Euch Spaß macht. Nur wenn man für etwas brennt, eine Leidenschaft entwickelt, kann man gut sein. Diese persönliche Entscheidung muss jeder für sich treffen.
  2. Praktika sind ideal, um risikofrei herumzuprobieren. Ich kann jedem nur raten, ein Gap Year zwischen Bachelor und Master zu machen.
  3. Seid mutig: Wer nichts riskiert, wird nie gewinnen. Die Chancen zu gewinnen sind meiner Meinung nach viel größer als die zu verlieren.
  4. Be yourself: Man sollte nicht versuchen, sich zu verdrehen – irgendwann holt es einen ein. Man kann sich nicht über Jahre und Jahrzehnte hinweg verbiegen.
  5. Sucht Euch eine Branche für den Berufseinstieg, die Potential hat. Es ist viel einfacher in einem Bereich zu arbeiten, in dem es Wachstumspotential gibt. Dann ist Geld für Ideen da. Es gibt nichts Schlimmeres als viele Ideen zu haben, aber kein Geld um diese umzusetzen.
  6. Seid bereit, tagtäglich dazuzulernen. Man hat nie ausgelernt. Diese Bereitschaft und Offenheit sind sehr wichtig, da es im Alter nie einfacher wird.

Vielen Dank für das Interview!

Ich habe zu danken.

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